Introvertierte Autorin! Fluch oder Segen?

Ich oute mich mal als introvertiert. Schon als Kind lebte ich lieber in meiner Fantasiewelt, als in der realen Welt. Ich konnte gut Bilder in meinem Kopf erzeugen und habe im Kindergarten tatsächlich eine Geschichte gemalt, die von einem Wal handelte. Ein Bild folgte dem nächsten und ich hing die Bilder in der richtigen Reihenfolge an meiner Wand auf. Ich erzählte meinen Eltern stolz die Geschichte und zeigte mit dem Finger auf die passenden Bilder. Alles war zum Greifen nah. Doch ein bis zwei Tage später verblassten diese Bilder in meinem Gedächtnis. Die Zeichnungen an der Wand erzählten nicht mehr die Story, die ich davor noch so präsent im Kopf hatte. Da konnte ich noch nicht schreiben und niemand hatte meine großartige Story aufgeschrieben.

Als Teenager verbrachte ich die Zeit lieber in meinem Zimmer und schaute die Poster an der Wand an, mit denen ich auch redete. Irgendwie brauchte ich einen Katalysator und kam dadurch selbst auf Problemlösungen. Hört sich seltsam an, war es aber damals für mich nicht. Meine Poster waren Freunde und Therapeuten gleichzeitig. Fast so wie imaginäre Freunde, aber sie hatten ein Gesicht. Zu der Zeit wusste ich noch nichts über diesen Fachbegriff. Das Wort Introvertiert habe ich erst spät mal gehört und fand, dass es zu mir passt. Natürlich suchte auch ich Anerkennung und stand ab und zu gerne im Mittelpunkt, aber das war noch als Kind. Als Teenager wollte ich lieber unsichtbar sein und meine Ruhe haben.

Als Autorin ist es allerdings ein Fluch und Segen gleichzeitig. Hilfreich ist es für mich, da ich schnell in meine Fantasiewelt abdriften kann und mein Hirn sich nicht sonderlich anstrengen muss, um eine gute Geschichte in das offene Dokument zu tippen. Manchmal läuft es ohnehin von selbst. Ich überlasse meinen Protagonisten den roten Faden und sie liefern mir die Geschichte, die sie erzählen wollen. Diese „Zusammenarbeit“ läuft gut. Auch kann ich stundenlang still sitzenbleiben und vor mich hinträumen. Diese Phasen nutze ich, um mich zu sammeln, abzudriften, entspannen und in Gedanken an einem Plot zu arbeiten. Dafür steht mein Hirn nicht still. Das ist unter anderem ein Fluch. Es gibt wohl Menschen, die einfach im Garten sitzen können, den Vögeln dabei zuhören und tatsächlich an nichts denken. Wie geht das? Ich sitze im Garten und höre einen Vogel. Sofort frage ich mich, was das für ein Vogel ist. Danach denke ich, dass der Gesang schön ist. Möglicherweise frage ich mich dann, was ein Vogel mit den dünnen Beinen im Winter macht. Wie schützt er sich vor der Kälte? Wie kann er im Sturm fliegen? Macht er das überhaupt? Dann höre ich wahrscheinlich ein Motorrad in der Ferne und denke an eine Szene aus meinem Roman, an das Gefühl der Freiheit, an den Geruch der Abgase, an die Vibrationen unter dem Hintern. Danach denke ich vielleicht an ein Problem was ich habe und daher diese Freiheit nicht genießen kann. Ich denke immerzu und kann gar nicht aufhören. Mein Hirn kommt wohl nie zur Ruhe. Aber dafür kann ich gut für mich sein und brauche niemanden, der mich unterhält, denn das kann ich alleine.

Der Fluch, als Autorin introvertiert zu sein, liegt in der Werbung. Als Autorin will man ja, dass sich die Bücher verkaufen. Zuerst wollte ich nie mein Gesicht zeigen. Ich wollte, dass alle nur meine Bücher lesen und die Autorin nie zu sehen bekommen. Bilder in meinen Büchern von mir? Im Leben nicht. Doch so würde ich nie jemanden finden, der meine Romane ließt, weil ich nicht gefunden werde. Was sollte ich nun als introvertierte Frau machen, die lieber unsichtbar bleiben, aber gelesen werden will? Ich machte mir eine Seite auf Facebook, nutze Instagram und postete nur Fotos meiner Bücher und passende Sprüche oder Neuigkeiten. Irgendwann zeigte ich doch mein Gesicht in Videos. Ich sprang über meinen Schatten und machte Lesungen. Ich trieb mich auf Conventions herum und hatte dort einen Stand mit meinen Büchern.

Und genau dies holte mich aus meinem Schneckenhaus heraus. Der Zuspruch von den Leuten tat mir gut. Ich stellte fest, dass meine Bücher gut ankamen und dies baute mich auf. Alle waren freundlich und gut drauf. Ich habe sogar auf diesem Wege Gleichgesinnte kennengelernt und auch andere Leute, die gleiche Interessen, abgesehen von Büchern, haben. Ich konnte mich über meine Lieblingsschauspieler, Serien, Vampire und sonstigem Kram unterhalten. Irgendwie war es ein Gefühl, dass ich dorthin gehörte. Obwohl auf so einer Convention tausende Menschen sind, fühlte ich mich dort nie unwohl, weil wir alle aus dem gleichen Grund da waren, die Interessen teilten und einfach nur Spaß haben wollten. Bei anderen Veranstaltungen oder massig Leuten in der Stadt fühlte ich mich nie wohl. Um Karneval, als Beispiel, machte ich einen großen Bogen. Zu viele Leute, die massig Alkohol im Blut haben. Für mich die Hölle. Daher habe ich diese Tage meist zu Hause verbracht oder im Schwimmbad, wo ich meine Ruhe und Entspannung hatte.

Was die weitere Werbung für mich als Autorin anging, stand mir meine Introvertiertheit weiter im Weg. Andere Autoren sprechen die Leute an, die am Stand vorbeigehen. Ich mag das persönlich nicht. Wenn ich in ein Möbelgeschäft gehe und tatsächlich nichts kaufen will, sondern erst nur schauen, mag ich auch nicht, dass mir direkt jemand über die Schulter schaut und mich fragt, ob ich was besonderes suche. Daher mag ich selbst nicht die Leute anzusprechen. Will mich ja nicht aufdrängen. Aber auch da musste ich etwas dazulernen. Nun spreche ich die Menschen kurz an, sage ihnen, dass sie gerne die Bücher anfassen können oder hineinlesen. Falls sie Fragen haben, können sie mich gerne ansprechen. Ich zwänge ja niemandem etwas auf. Das ist nicht meine Art. Natürlich ist es nicht gut für das Geschäft, aber ich möchte die Leute ja auch nicht verschrecken. Ich meine, dass sie wiederkommen, falls ihnen etwas gefallen hat und mich nicht aufdringlich fanden. So habe ich zwar zunächst wenig Kundschaft, aber eventuell kommen sie genau deshalb beim nächsten Mal wieder zu mir an den Stand. Keine Ahnung. Aber so bin ich. Ich gehe mit den Menschen so um, wie ich selbst behandelt werden möchte. Und das ist mit Anstand und Respekt. Ich bleibe höflich und akzeptiere es auch, wenn jemand mein Buch nicht kaufen möchte. Es bleibt jedem selbst überlassen und ich bin deshalb nicht böse. Enttäuscht auch nicht, denn jeder Weg ist mühsam und ich denke mir, dass irgendwann bessere Zeiten kommen. Ich bin daher einfach an meinem Stand, schaue mir die Menschen an, verteile gerne ein Lächeln und warte darauf, dass jemand sich für meine Bücher interessiert. Und ja, auf diese Weise habe ich tatsächlich nette Gespräche geführt und auch mal Bücher verkauft.

Als Autorin introvertiert sein ist also doch ein Fluch und ein Segen zugleich. Trotzdem muss man sich aus seinem Schneckenhaus trauen. Im übertragenen Sinne muss man als Schnecke aus dem Haus, damit man auf dem langen Weg weiterkriechen kann. Stehenbleiben darf man nicht.

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