Happy End kommt immer auf die Perspektive des Charakters an
Ich würde behaupten, dass jedes Buch ein Happy End hat. Allerdings vielleicht nicht immer aus der Sicht des Protagonisten. Es ist ja so, dass jeder Roman eine Hauptperson hat, um dies es handelt. Manchmal gibt es auch mehrere handelnde Personen, die jeder aus seiner Sicht die Handlung erzählen. Und was gehört zu jedem guten Roman? Natürlich Spannung. Wir sollen in einer Geschichte mitfühlen können, was Problemlösungen und eine Heldenreise ausmachen. Der Held ist nicht immer ein strahlender Kämpfer gewesen. Unter Umständen hat er klein angefangen und sich zu dem entwickelt, was wir als Helden empfinden. Auf seinem Weg dahin musste er sich Problemen stellen. Diese können unterschiedlicher Natur sein. Schwierigkeiten auf der Arbeit, Mobbing in der Schule, Selbstzweifel aufgrund von fehlender Liebe oder einfach Geldsorgen. Zwar können diese Probleme spannend sein, da wir bestimmt mindestens einmal etwas ähnliches erlebt haben.
Doch gehen wir mal einen Schritt weiter. Wir haben die eben genannten Dinge wahrscheinlich schon einmal selbst erlebt und lernten damit umzugehen oder haben die Situation gelöst. Natürlich kommt es immer auf das Alter an. Mobbing in der Schule ist wirklich schlimm und ich verabscheue es sehr. Damals gab es das auch, war allerdings harmloser als es heute ist. Bei mir fing es mit meinen Klamotten an. Ich hatte keine Markensachen, kannte die neusten Filme nicht, hörte nicht die Musik die aktuell war und wurde im Sport bei den Mannschaftswahlen im letzten Viertel gewählt. Ich hatte auch einige Mädchen und Jungs, die mich tatsächlich richtig geärgert haben und beleidigt. Einmal erlebte ich sogar eine Prügelei mit einem Mädchen. Die Jungs spielten mir häufig vor, dass sie mich als Freundin haben wollten, aber nur, weil sie mich danach demütigen konnten. Nun am heutigen Tag nach Jahrzehnten weiß ich es besser. Die damaligen "Feinde" sind heute alle lieb und freundlich zu mir. Wir verstehen uns bestens und behandeln uns mit Respekt. Alles von damals wurde nun als Sachen abgestempelt, die Kinder so machen. Einer hat sich sogar nach 30 Jahren bei mir entschuldigt. Tatsächlich fand er mich über Facebook, da er damals weit weggezogen war. Es lag ihm sehr am Herzen, sich zu entschuldigen, dass er das damals mit mir gemacht hat. Ich weiß, dass in der jetzigen Zeit das Mobbing anders aussieht und es wirklich böse enden kann. Das darf nicht sein.
Ich möchte damit ausdrücken, dass nicht sofort, aber irgendwann die Probleme anders werden oder sich gelöst haben. Wie gesagt sind dies Elemente, die einen Roman spannend machen. Wie wird der Protagonist damit fertig? Wie entwickelt er sich? Und nun kommt der eigentliche Kern dieses Beitrages.
Nehmen wir mal an, dass der Protagonist aufgrund Mobbings in der Schule, zunächst in sich gekehrt ist, niemanden an sich heranlässt und gereizt auf sein Umfeld reagiert. Könnte dies ein Held in einem Roman werden? Natürlich. Geben wir ihm ein Ziel im Leben. Sagen wir mal eine Frau. Sie verlieben sich ineinander und sie bringt das Beste aus ihm zum Vorschein. Alles ist perfekt und er ist glücklich. Doch dann kommt einer seiner damaligen Mitschüler, verliebt sich in die gleiche Frau und alles fängt von vorne an. Das Buch wird spannend. Unserem Protagonisten wachsen wörtlich genommen Flügel und er stellt sich seinen Ängsten, wächst über sich hinaus und heiratet sie zum Schluss. Somit hat er sein Happy End bekommen.
Doch drehen wir den Spieß mal um. Unser Protagonist gehörte als Kind zu der Sorte Mobber. Auch wenn es jetzt nicht so schlimm war, wie in der heutigen Zeit, sondern eher so wie bei mir. Beleidigungen, Schulsachen kaputt machen und nicht in die Clique integrieren. Also eben so Zeug, was Kinder machen. Unser Protagonist wird erwachsen und sein Leben verläuft gut. Bis zu dem Tag, als er seine Jugendliebe wiedersieht. Doch sie ist ausgerechnet mit einem Mann zusammen, den er damals gehänselt hat. Der Außenseiter. Nun fiebern wir mit, ob unser Protagonist seine Liebe neu aufflammen lassen kann und sein Happy End bekommt. Doch mit dem Hintergrundwissen, dass er damals schlimme Sachen gemacht hat, würden wir ihm es noch gönnen? Eigentlich schon, denn er war damals ein Kind und behandelt heute die Leute mit Anstand. Doch wenn er die Frau nicht bekommt, ist er am Boden zerstört. Trotzdem gibt es ein Happy End. Nicht für den Protagonisten, sondern in dem Fall der Antagonist. Der Außenseiter bleibt mit der Frau zusammen, sie werden nicht getrennt und somit reitet er mit ihr in den Sonnenuntergang.
Legen wir noch eine Schippe drauf. Nehmen wir mal an, dass wir einen bösen Vampir und einen Vampirjäger haben. Ich würde behaupten, dass man in Horror nicht von einem Happy End reden kann. Es sei denn, dass eine Frau oder ein Mann, nennen wir es einfach die Liebe des Lebens, gerettet wird und das Gute gewinnt. Doch wenn das Böse gewinnt, ist es aus der Sicht des Antagonisten ein guter Ausgang.
Ja, die Antagonisten haben auch eine Daseinsberechtigung. Sie sind wichtig und meistens finde ich sie natürlicher und nachvollziehbarer als die Helden. Bei mir sind die Bösewichte nicht böse. Zumindest nicht zu hundert Prozent. In meiner Vorstellung gibt es ein Gleichgewicht zwischen Gut und Böse. Jeder Mensch hat schon einmal Rachegefühle gehabt, obwohl sie eigentlich eine reine Weste haben. Auch hat bestimmt jeder Mensch schon einmal ein Insekt getötet. Sind wir daher abgrundtief böse? Und genauso ist es mit dem Bösen. Auch sie können Liebe empfinden. Bestes Beispiel ist, wenn ein Mensch zum Mörder wird, weil die Liebe nicht erwidert wird. Nun ja, dies ist keine wirkliche Liebe, sondern Besessenheit. Aber ein gebrochenes Herz kann viele Auswirkungen haben. Es kommt immer auf die Psyche und Verfassung an. Oder wie im oben genannten Beispiel ist ein Mensch, der gemobbt wurde, eher gereizt und in sich vertieft, dass er für andere als Gefühlskalt gilt. Er wirkt böse und verbittert, aber es hat eine Ursache, die sogar nachvollziehbar ist. Es werden Kriege aufgrund von Liebe oder unerfüllter Liebe geführt. Viele Schurken oder Serienkiller haben Familie, Freunde, Ehepartner und so weiter. Jetzt könnte man sagen, dass der Teufel das Böse ist. Eigentlich war er ein wunderschöner Engel und von Gott verbannt, da er sich mit einigen anderen Engeln aufgelehnt hat. Somit sehen wir, dass der Teufel nicht zu hundert Prozent böse ist und auch Engel gegen Gott rebellieren. Somit sind sie auch nicht die strahlenden Helden.
Eben diese Grauzonen sind für mich als Autorin wichtig. Verständnis auch für die Gegenseite zu zeigen, finde ich großartig. Wenn Antagonisten nachvollziehbar handeln und auch Helden ihre Fehler haben und nicht perfekt sind. So wie in jedem Menschen diese zwei Seiten vorhanden sind, nur eben zu unterschiedlichen Prozentzahlen.
Fazit: Ein Happy End ist in jedem Roman enthalten. Es kommt nur auf die Perspektive an, wer am Ende als Sieger hervorgeht.